Das Bündnis mit den Negahls besiegelt die Abkehr von Rhagin Thoralyn
Der ehemalige Lehrmeister von Dhargken schließt sich den Negahls an
Es war ein Tag, der finsterer wurde als die dunkelste Nacht. Dichter Nebel umhüllte wie ein gespenstiger Schleier die Felsen. Die Stille dieser Finsternis wurde einzig durchbrochen von laut hallenden Schritten.
Unzählige Kreaturen lösten sich wie schwarze Schatten aus dem Nebel und erschütterten das ganze Gebiet – die nördliche Felsenschlucht Mallahd Arka des Rebellenreiches Fehrrol. Sie wurde getrieben durch den vollen Mond, der sich wie ein bedrohliches Omen am Himmel erhob.
Auch ich spürte die Bedrohung des vollen Mondes. Sie ging von der unheimlichen Aura der finsteren Kreaturen aus, die zu dieser Stunde die Felsenschlucht durchquerten. Es war eine Truppe der Armee der Finsternis des dunklen Magiers und Schreckensherrschers Dhargken Eksthrin Medunadt.
Ihr Ziel war Fehrrol – die Residenz der aufständischen Negahls, die Zusammenschlüsse aus verschiedenen Organisationen gebildet hatten, um gegen die unaufhörliche Gewalt von Dhargken und seinem wachsenden Imperium der Finsternis vorzugehen.
Ich wusste, dass die Negahls nur auf den richtigen Augenblick warteten, um die Truppe anzugreifen – genauso wie ich in meiner Absicht, mich ihnen anzuschließen.
Es dauerte nicht lange, bis die Truppe der Armee der Schatten fast die Mitte der Felsenschlucht Mallahd Arka erreicht hatte. Dann vernahm ich ein lautes Geräusch. Es waren große Bruchsteine, die sich von den Felsen ablösten und auf die Truppe von Dhargken‘s Schattenarmee niederstürzten.
Die Negahls. Bevor ich nach oben auf die Schlucht sehen konnte, griffen sie an. Von mehreren Seiten. Sie hatten sich geschickt im Schutz der Felsen verteilt. Augenblicklich stießen sie auf heftige Gegenwehr, denn Dhargken's Truppen attackierten sie ebenfalls. Die gewaltige Schlagkraft der finsteren Armee der Schatten ließ sie zurücktreten.
Mir war klar, dass die Negahls nicht gewinnen konnten, obwohl ihnen die Felsschlucht durch den getarnten Schutz einen großen Vorteil bot, aber sie waren einfach zu wenige. Von ihrer unstrukturierten Organisation abgesehen waren die meisten der Negahls auch keine erfahrenen Krieger. Ich wusste, dass es nicht nur richtig war, ihnen zu helfen, sondern, dass sie meine Hilfe auch dringend benötigten.
Ich stand immer noch an der nahegelegenen Anhöhe der Felsschlucht von Mallahd Arka und verfolgte das Kampfgeschehen. Dann sah ich den Truppenführer der Negahls, der seinen Männern im hektischen Treiben des wilden Schlachtgetümmels Anweisungen gab.
Waahdkhan – meine magischen Kräfte entlockten seinen Namen. Auch erfasste ich sein Wesen. Waahdkhan war wie die meisten Männer der Elite-Bodenkämpfer des rebellischen Angriffstrupps der Negahls ein begnadeter Hasser von Dhargken und seinem finsteren Imperium.
Und inzwischen konnte ich diese tiefen Gefühle der Abneigung sehr gut nachvollziehen, die ich ebenfalls teilte. Denn einst gab es die Welt des Lichtes – größer in ihrer Herrlichkeit als es sich jemals ein Sterblicher vorzustellen vermochte. Als allgegenwärtige Macht des Universums geschaffen in ihrer Wahrheit und Gerechtigkeit für alle Menschen auf der Welt von Amahgand.
Es war die Welt des Guten im Zeichen einer göttlichen Schöpfung wie es sie in dieser Form nur einmal gegeben hatte. Bis die Welt des Lichtes verfiel. Durch Dhargken, der sich zunehmend darin bekräftigte, eine Herrschaft der Gewalt und des Terrors über die entmutigte Welt von Amahgand zu errichten.
Aber eine kleine Zahl von Völkern rebellierte gegen Dhargken und seine Schreckensherrschaft. Obgleich sie von Anfang an gegenüber der von Dhargken errichteten Armee der Schatten in der Minderzahl waren, erklärten sie sich zu Gegnern seiner finsteren Ausschreitungen und nahmen den großen Kampf zur Wiedererrichtung der alten Welt des Lichtes auf.
Ich bewunderte diesen Mut zur Selbstaufopferung. Es war die gleiche Entschlossenheit, die ich bei Eric Lodahn gesehen hatte, der mir nicht mehr aus dem Kopf ging. Mein Entschluss ihn zu retten lenkte auch in dieser Stunde meine Taten.
Als ich sah, dass Waahdkhan von einigen Truppenleuten der Schattenarmee angegriffen wurde, schleuderte ich mit meinen magischen Kräften einen gewaltigen Blitz gegen sie.
Verwundert richtete Waahdkhan seinen Blick auf die Felsenanhöhe, auf der ich stand. Ich erwiderte seinen langen, eindringlichen Blick und entgegnete schließlich:
„Worauf wartet Ihr? Holt Euch den Rest von Dhargken’s Schergen. Es darf keiner aus der Truppe seiner Schattenarmee nach Prinocter zurückkehren!“
Waahdkhan sah mich noch einmal kurz an, bevor er den Befehl gab. „Vorwärts – auf zum Angriff!“
Eisern setzten die rebellischen Widerstandskämpfer der Negahls Dhargken’s Truppen zu. Einige von ihnen konnten sie überwältigen. Den Rest erledigte ich durch meine magische Aura. Ich richtete meine destruktiven Kräfte auf die übrige Truppe von Dhargken’s finsterer Armee.
Gleichzeitig mit mir sahen auch die Negahls zu, wie sie krampfhaft nach Luft rangen und ich sie solange mit meiner Magie würgte, bis sie endgültig zusammenbrachen. Denn auch mir persönlich lag daran, dass keiner von ihnen in die Felsenfestung Prinocter zurückkehrte und Dhargken dadurch erfuhr, dass ich nicht mehr auf seiner Seite war.
Als die letzten Schergen von Dhargken tot zusammensanken, bemerkte ich den anhaltenden Blick des Truppenführers Waahdkhan, der aus seiner Verwunderung nicht mehr herauskam. Aus gutem Grund. Ich wusste, dass ich mich auf Einiges gefasst machen musste, damit er meinen guten Absichten Glauben schenkte. Seine beißenden Worte bestätigten meine innere Ahnung.
„Aus welchem verfluchten Grund macht sich Rhagin Thoralyn zum persönlichen Retter der Rebellenbewegung? Vielleicht einer von Dhargken’s schmutzigen Tricks, mit denen sich sein Lehrmeister beflecken will und eigens deshalb hierher kommt?“
Waahdkhan’s Worte trafen mich hart. Vor allem, weil ich mich bereits mehr als genug befleckt hatte.
„Ihr als Truppenführer der Negahls solltet am besten wissen, dass Ihr gegen Dhargken’s Armee chancenlos seid, Waahdkhan. Nur durch meine Hilfe könnt Ihr Euch wirkungsvoll gegen Dhargken stellen.“
„Sagt mir, welchen Grund ich hätte, ausgerechnet DEM Mann zu trauen, der Dhargken’s Lehrmeister ist.“
Jetzt senkte ich niedergeschlagen den Kopf und brauchte eine Weile, um Waahdkhan zu antworten.
„Nein – ich bin es längst nicht mehr – sein Lehrmeister und bereue zutiefst, was ich getan habe. Auch habe ich nicht erwartet, dass Ihr mir glaubt. Vor allem jetzt nicht, nach all dem, was passiert ist. Aber einen Beweis für meinen Hass auf Dhargken, der inzwischen genauso groß ist wie der Eure, werde ich Euch liefern.“
Waahdkhan hob trotzig die Augenbraue.
„Welchen Beweis?“
„Den letzten überlebenden Magier aus der Viohrdor Gilde – Eric Lodahn. Ich werde ihn zu Euch bringen.“
Der offenkundige Trotz in Waahdkhan setzte sich fort.
„Wir wissen, dass Dhargken alle Magier aus der Viohrdor Gilde vernichtet hat.“
„Nein! Eric Lodahn lebt. Er ist in Prinocter – als Dhargken’s Gefangener.“
In diesem Augenblick wurde Waahdkhan nachdenklich. Schließlich fragte er mich:
„Rhagin Thoralyn, was wollt Ihr wirklich und warum seid Ihr hier?“
Mit langsamen Schritten ging ich ein paar Schritte auf Waahdkhan und seine Gefolgsleute zu, als ich erwiderte:
„Ich will Euch anführen – gehen Dhargken und sein Schattenreich!“
Meine Antwort überraschte Waahdkhan, und er brauchte eine Weile, um sich zu fassen. Seine nächsten Worte waren ruhig und zielstrebig.
„Gut – so soll es sein – wenn Ihr uns den Magier aus der Viohrdor Gilde Eric Lodahn bringt.“
„Das beabsichtige ich. Denn mir liegt ebenso viel an seiner Befreiung wie Euch.“
Als ich mich herumdrehte und den Schauplatz des Kampfes verlassen wollte, rief mir Waahdkhan zu:
„Bevor Ihr geht, Rhagin Thoralyn – verratet mir eins: WAS war es, dass Euch zu diesem Schritt bewegt hat?“
Ich drehte meinen Kopf und sah über meine Schulter direkt zu Waahdkhan.
„Das eine habt Ihr vorhin selbst erwähnt. Die Befleckung meiner Schuld als Dhargken's Lehrmeister. Das andere wuchs in mir, als ich Eric Lodahn sah. Verlangt es Euch nach mehr?“
In diesem Moment merkte ich, dass Waahdkhan aus einem unerklärlichen Grund anfing mir zu glauben. Auch durch seine Antwort bestätigte er mein Gefühl.
„Nein, …. und .... danke für Eure Hilfe. Wir hatten sie nötig. Allein hätten wir Dhargken‘s Spähtruppen in der Tat nicht besiegt.“
Und so ging ich dahin an diesem Tag, der meiner Abkehr von Dhargken das endgültige Siegel gesetzt hatte. Denn von nun an war ich Anführer der Negahls aus Fehrrol – der Rebellenresidenz, die sich zu einer machtvollen Größe entwickeln sollte.
************************************************
In der nächsten Folge erlebt Rhagin Thoralyn Die Leiden eines Magiers, die ihn zutiefst erschüttern ....
Auszug aus Fendoyah's High Fantasy Kurzgeschichten Reihe "Rhagin Thoralyn's Abkehr" – © Fendoyah
_________________________________________
Autorin: Fendoyah Argatron © Copyright-Hinweis
Dieses Werk einschließlich alle seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Die Rechte liegen ausschließlich bei der Autorin Fendoyah Argatron. Kein Teil dieser Publikation darf ohne die vorherige schriftliche Genehmigung in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln, vervielfältigt, übermittelt, reproduziert, verbreitet oder übertragen werden. Ausgenommen sind nichtkommerzielle, vom Urheber erlaubte Verwendungen.